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Stichwort: Befriedigung Leseprobe in
voller Länge aus dem Etymologie: Das Verb »befriedigen« wurde im 15. Jh. aus »Frieden« (Schonung, Freundschaft, geschützt) gebildet, dann seit dem 16. Jh. im Sinne von »zufrieden« (zu Frieden setzen, zur Ruhe bringen) verwendet. Substantivisch erst seit der deutschen Klassik gebraucht. Bedeutung für die Gestalttherapie: Der Abbau der Spannung, nachdem durch einen aggressiven Akt Umweltressourcen einverleibt und verdaut wurden, führt zu einem Schließen der Gestalt, zum Abschluss der »Gestaltwelle«. Im Nachkontakt der »Gestaltwelle« wird dies befriedigt festgestellt. Befriedigung ist beim Menschen sowohl ein organisches Zeichen, das spontan und selbstreguliert die aufgelöste Spannung signalisiert, als auch eine moralische Bewertung. Tut sich zwischen organischem Zeichen und moralischer Wertung ein Widerspruch auf, wird die für die Befriedigung vorgesehene Energie retroflektiert und in die Selbstabwertung gewendet, z.B.: Ein beleibter Mensch, der sich für seinen Appetit verachtet, wird nach dem Mahl das organische Zeichen, das eigentlich die Befriedigung ausdrücken will, als Anklage gegen sich selbst verwenden und dann auch keine Befriedigung verspüren, sondern zum Beispiel Ekel oder Selbsthass. Die Retroflektion kann jedoch auch umgekehrt ausgeführt werden: Wenn eine Handlung sich als Irrtum erweist und keine Befriedigung ermöglicht, wird das organische Zeichen des Spannungsabbaus ausbleiben. Anstatt die nicht abgeflaute Spannung nun zu einem neuen Ansatz, das Bedürfnis zu befriedigen, einzusetzen, kann sie gleichsam als Selbstbefriedigung retroflektiert werden. Wer etwa für eine Arbeit die erhoffte Anerkennung nicht findet, kann sich arrogant und überheblich selbst beglückwünschen und auf die »anderen«, die angeblich nichts verstehen, herabblicken. Von Goodman stammt der auf Aristoteles und Thomas von Aquin zurückgehende Gedanke, dass Befriedigung die Handlung begleite, aber nicht deren Ziel sei. In einer Reflektion über den Sinn des Lebens schreibt Goodman im Jahre 1946 (also noch vor der Entwicklung der Gestalttherapie): »Man sagt, ›Liebe ist der Sinn des Lebens‹. Aber das ist nur in der formalen Weise wahr, dass ›Handeln der Sinn des Lebens ist‹, weil ›Glück eine Handlung der Seele ist‹ [Aristoteles]. Aber wenn Liebe aus diesem konkreten formalen Grund gesucht wird, stellt sich der Satz als schreckliche Illusion heraus: Es ist der Aufschrei, das Betteln dessen, der nicht liebt, Liebe braucht und nicht lieben kann. Auch die Lust wird als Sinn des Lebens bezeichnet. Das ist wahr genug, denn die Lust begleitet das Handeln, sodass es unerheblich ist, ob wir von der Lust oder der Handlung als befriedigend sprechen […]. Aber es übersteigt unsere Erfahrung zu denken, Glück sei das Nebenprodukt der Summe von Lust. Ganz im Gegenteil, der Gedanke, ›das tue ich, um eine gute Zeit zu haben‹, gehört zur Suche nach der Ablenkung vom Elend. Psychologisch besteht die glückliche Handlung in einer spezifischen Öffnung des Ego zur tiefen Seele und zur Welt. Darum kann die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht auftauchen, denn es ist eine Frage, die das Ego genau in so weit stellt, als es gegen die tiefe Seele und die Welt verschlossen ist: Das Ego fragt sich nach seinen Ressourcen oder danach, was als nächstes zu tun sei. Um die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten zu können, müsste das Problem, die relevanten Tatsachen und die Beweisführung zusammen in der Aufmerksamkeit gehalten werden; aber es ist nicht die Eigenschaft der glücklichen Handlung, das Ziel, den Weg und die Befriedigung gleichzeitig im Blick zu haben. Die Seele ist von der glücklichen Handlung absorbiert, und die Aufmerksamkeit ist begrenzt auf die speziellen Aufgaben der Vor- und Umsicht« (Paul Goodman, On the Question: What is the Meaning of Life?, 1946, S. 151f). Siehe auch: Aristoteles; Bedürfnis; Ego; Gestaltwelle; Goodman, Paul; Retroflektion; Seele; Thomas von Aquin © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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