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Stichwort: Rank, Otto Leseprobe in
voller Länge aus dem Lebensdaten: Geboren Wien 1884, gestorben New York 1939. Er war ein enger Vertrauter von Sigmund Freud und führend in der »Psychoanalytischen Bewegung« tätig. Er beschäftigte sich intensiv mit der Kunst und dem Künstler. 1924 überwarf er sich mit Freud, weil er das »Geburtstrauma« für grundlegender als den »Ödipus-Komplex« erklärte. Er praktizierte danach in Paris umd floh von dort aus 1935 vor den Nazis nach New York. Hauptwerke: Der Künstler, 1907; Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage, 1912; Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse; Art and Artist, 1932. Bedeutung für die Gestalttherapie: Besonders Paul Goodman hat sich begeistert über Otto Rank geäußert. Diese Begeisterung bezog sich auf das Werk »Art and Artist« (1932), in welchem er sich als Künstler selbst gut getroffen fühlte. Neben dieser Begeisterung allerdings hat Rank bestimmte Entwicklungen der Gestalttherapie systematisch vorbereitet, obwohl das Thema des Geburtstraumas selbst in der Gestalttherapie keine Rolle spielt. In der Beschäftigung mit dem Künstler hat Rank ein Menschenbild entwickelt, in welchem zum einen das Bezogensein auf die Umwelt (das »Feld«) wesentlich ist, zum anderen jedoch die schöpferische Gestaltung auf das Feld zurückwirkt. Das Individuum ist Teil des Ganzen, löst sich allerdings von ihm. In diesem Prozess spielen Wille und sogar Aggression nach Rank eine wichtige positive Rolle. Für Rank ist auch die Beziehung zwischen Klient und Therapeut kein Ärgernis, von dem aus eine Gefahr für die Objektivität der Interpretationen des Therapeuten ausgeht, sondern die Grundlage der Heilungsmöglichkeit. Damit überwindet Rank auch die Fixierung der Psychoanalyse auf die Beschäftigung mit der Vergangenheit und rückt die Gegenwart in den Blick: Die tragfähige Beziehung zwischen Klient und Therapeut hilft, die eventuell traumatische Vergangenheit des Klienten zu neutralisieren. Miriam Polster: »Zwei […] Aspekte von Ranks Einfluss auf [Fritz] Perls verdienen es, erwähnt zu werden. Rank sah, dass in dem, was andere Therapeuten als Symptome bezeichneten, Kreativität enthalten war. Er bestand darauf, dass dieser kreative Akt mehr Anerkennung und Achtung verdiente und dass mit ihm nicht als Widerstand umgegangen werden sollte, den es auszutreiben gilt, sondern als einer kreativen Funktion, die einen Versuch darstellt, ein Dilemma zu lösen. Schließlich versuchten die Patienten ja nicht, ein Symptom zu entwickeln, sondern eine Antwort auf eine problematische Situation zu finden. Diese Haltung findet ihre Parallele in dem Gestaltkonzept der kreativen Anpassung (Perls, Hefferline und Goodman 1951), in welchem das Individuum auf kreative Weise versucht, eine Balance zwischen persönlichen Bedürfnissen und den Gegebenheiten der Umgebung herzustellen. Respekt für die Kreativität des Patienten durchdrang auch Ranks Verständnis von der Natur der therapeutischen Beziehung. Er war einer der ersten, die die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten betonten. Anstelle des distanzierenden Konzepts der Übertragung und der analytischen Neutralität hielt Rank den therapeutischen Einfluss größtenteils für abhängig von der persönlichen Interaktion zwischen Therapeut und Patient. Die Betonung des Kontaktes ist in der Gestalttherapie eine logische Erweiterung dieser Idee; sie umfasst die Beziehung zwischen Organismus und Umwelt genauso wie die Beziehung zwischen Patient und Therapeut« (Miriam Polster, Theorie und Praxis der Gestalttherapie, 1991, in: Erving und Miriam Polster, Das Herz der Gestalttherapie, S. 104). E. u. M. Polster: »Zwei Thesen von Rank haben eine besondere Bedeutung für die Evolution der Gestalttherapie. Obwohl seine Theorie auf dem Geburtstrauma basiert und auf dessen Einfluss auf die ganze spätere Existenz – eine strittige Frage –, behauptete er, dass der grundlegende Kampf im Leben um die persönliche Individuation geht, auch ein vorrangiges Anliegen in der Gestalttherapie. Bei diesem Kampf bemüht sich das Individuum, seine polaren Ängste vor Trennung bzw. Verbindung zu integrieren. Trennung bringt die Gefahr des Verlusts der Beziehung zum Andersartigen mit sich, während Verbindung die Gefahr, die Individuation zu verlieren, in sich birgt. Konstruktiver Widerstand gegen diese angsteinflößenden Alternativen führt zu einer neuen, kreativen Integration dieser klassischen widerstreitenden Kräfte. Die konstruktive Auffassung des Widerstands und seiner Rolle bei der Versöhnung der disparaten Teile des Selbst ist ein Hauptthema der Gestalttherapie. Die Gestalttherapie anerkennt die Macht des konstruktiven Widerstands, wobei sie sie zu einer zwingenden Kraft macht, die nicht nur zu einer Lösung des Widerspruchs, sondern zu einer neuen, persönlichen Komposition führt. Schließlich hat Rank Interesse für das sich entwickelnde Gefühl der individuellen Identität zu einer Veränderung in der Interaktion zwischen Patient und Therapeut geführt. Durch seine Anerkennung der menschlichen Aspekte dieser Interaktion ist er zu einem der wichtigsten Neuerer bei der Entwicklung einer humanistischen Auffassung der Psychotherapie geworden – ein wichtiges Erbe für die Gestalttherapie« (Erving und Miriam Polster, Gestalttherapie, 1975, S. 298f). Miriam Polster: »Was gibt’s Neues? Neulich war ich auf einer Tagung der American Psychological Association und besuchte dort ein Seminar über Otto Rank und seine Therapie mit Künstlern. Wie Sie wissen, hatten Ranks Konzepte gravierenden Einfluss auf die Formulierung der gestalttherapeutischen Prinzipien. Einer der Vortragenden zitierte Rank mit dessen Aussage, er brauche für jeden neuen Patienten eine neue Theorie. Natürlich meinte er damit nicht, dass er jedesmal ganz von vorne anfing. Was er sagen wollte war vielmehr, dass er sich die Freiheit bewahren wollte, auf die neue Einladung zu reagieren, die jeder ihm noch unbekannte Patient ihm implizit entgegenbrachte. Dieselbe Gelegenheit bietet sich auch uns. Was es Neues gibt? Meine Damen und Herren, gut, dass Sie fragen. Den Patienten« (in: Das Herz der Gestalttherapie, S. 380). Siehe auch: Aggression; Ödipus-Komplex; Psychoanalyse © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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