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Stichwort: Supervision Leseprobe in
voller Länge aus dem Etymologie: Ein Kunstwort aus dem lateinischen »super« (über) und »videre« (sehen), aber nicht im Sinne vom deutschen »übersehen«, sondern von »überblicken«. Im Englischen bedeutet »to supervise« beaufsichtigen, kontrollieren und überwachen. Bedeutung für die Psychotherapie: Dass sich ein Psychotherapeut regelmäßig professioneller »Kontrolle« unterziehen sollte, ist früh schon in der Psychoanalyse eine Erfahrung geworden. Im Verlauf der Analyse, so stellte Freud fest, identifiziert der Patient den Analytiker mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (»Übertragung«). Daraus resultiert die Gefahr, dass der Analytiker die durch die Übertragung zugewiesene Rolle unbewusst annimmt und den Patienten seinerseits mit dem Kind identifiziert (»Gegenübertragung«). Der Analytiker muss seine Unparteilichkeit und therapeutische Objektivität durch eine Supervision kontrollieren und sicherstellen lassen. Gerade auch für den gestalttherapeutischen Ansatz ist die Supervision wichtig. Das, was in der Psychoanalyse die (Gegen-)Übertragung ist, geht erweitert in das Konzept der Projektion ein: Der Therapeut steht wie jeder Mensch in Gefahr, den Gesprächspartner nicht so wahrzunehmen, wie er ist, sondern ihm (unbewusst) etwas überzustülpen oder zu unterstellen. Weil es für die Gestalttherapie so entscheidend ist, dass der Therapeut Gewahrsein ohne Bewertung übt und sich für einen Ich-Du-Dialog im Sinne Martin Bubers offen hält, spielt Supervision eine zentrale Rolle. Ein Beispiel: Ein erfahrener Kollege arbeitete am Nachmittag eines Therapietages mit fünf Männern hintereinander an Demütigungen durch deren Väter. Das ist auffällig. Meist kann man vermuten, dass es etwas mit einem selbst zu tun hat, wenn alle Klienten an einem einzigen Thema arbeiten. Jener Kollege brachte also diese Erfahrung mit in die Supervisionsgruppe. Der Supervisor fragte ihn direkt nach seinem Verhältnis zum Vater. Er brach in Tränen aus und berichtete, wie sein Vater ihm oft das, was er gebaut oder gebastelt hatte, zerstörte, wenn es nicht absolut perfekt war. Der Kollege hatte das völlig vergessen. Nach dieser Supervisionsarbeit begannen seine fünf Klienten von sich aus ganz unterschiedliche Themen zu bearbeiten – nur einer arbeitete weiter am Thema »Vater«! Die Haltungen des Gestalt-Supervisors und die Arten seiner Interventionen unterscheiden sich nicht von denen in der Therapie. Die Gestalttherapie wird immer bedeutsamer für supervisorische Prozesse auch außerhalb des Gestalt-Bereichs. Das hängt damit zusammen, dass auch in anderen Bereichen (wie z.B. der Verhaltenstherapie) die Bedeutung der therapeutischen Beziehung immer deutlicher erkannt wird und damit auch die der Beziehungs- und Wahrnehmungsfähigkeit des Therapeuten. Diesen Therapierichtungen fehlt aber dann allerdings häufig noch das entsprechende beziehungsvolle Handwerkszeug für die Supervision. Darum greift man hier gerne auf Gestalt zurück. Das Verständnis von Supervision hat sich zudem unter dem Einfluss der Gestalttherapie inzwischen auch erweitert: Es geht nicht nur darum, über den Klienten (»den Fall«) zu sprechen, sondern darüber hinaus die Person des Therapeuten und die therapeutische Beziehung zu einem Thema der Supervision zu machen. Laura Perls: »Daniel Rosenblatt: Welche Erfahrungen hast du mit Supervision? Laura Perls: Nun, ich halte nicht viel von der üblichen Form, einen ganzen Fall zu besprechen, während der Supervisand Notizen macht und zuhört. Ich glaube, dass eine Menge Zeit mit Fallbesprechungen verschwendet wird. Mich interessieren mehr die Erfahrungen und Schwierigkeiten des Supervisanden, nicht des Klienten. Wenn der Klient sich entwickelt und anfängt, seine Symptome abzulegen, brauchst du den Fall nicht darzulegen. Daniel Rosenblatt: Wie kamst du zu dieser Methode? Laura Perls: Durch meine Erfahrungen und durch die Ungeduld, die ich empfunden habe, wenn zuviel Zeit mit analytischen Methoden und Schilderungen verschwendet wurde« (Laura Perls, Meine Seele ist die Wildnis des Anderen, Wuppertal 2003, S. 103). Literatur: Gerhard Fatzer (Hg.), Supervision und Beratung, Köln 2003; Astrid Schreyögg, Supervision: Ein integratives Modell, Paderborn 1991. Siehe auch: Haltung; Intervention; Psychoanalyse; Übertragung Support Siehe Unterstützung © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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