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Stichwort: Unterstützung Leseprobe in
voller Länge aus dem Englisch »support«. Die Gestalttherapie geht davon aus, dass das »Symptom«, die »Krankheit«, die »Neurose« eine kreative Antwort des Klienten auf sein Problem darstellt. Ihm in dieser, also in einer unveränderten Situation sein Symptom, seine Krankheit oder seine Neurose »wegzutherapieren« würde, selbst wenn es gelingen sollte, so wirken, als würde man einem Gehbehinderten die Krücken abnehmen. Es ist, als würde der Therapeut den Klienten »in der Luft hängen lassen«. Aus dieser Überlegung folgt, dass Veränderungen nur insoweit angestrebt werden, wie der Klient Boden unter den Füßen wiedergewonnen hat, also in der Lage ist, sich zu unterstützen. Dieses Konzept ist besonders von Laura Perls verfochten worden. Bei der Unterstützung wird zwischen Selbst- und Fremdunterstützung unterschieden. Die Selbstunterstützung ist begrifflich mit Selbstbestimmung und Autonomie gleichzusetzen. Fremdunterstützung ist diejenige, die jemand bekommt oder fordert, der sich noch nicht genügend selbst unterstützen kann. Therapie ist immer eine Fremdunterstützung. Das Ziel besteht (nach Laura Perls) darin, den Klienten so weit wie möglich zur Selbstunterstützung befähigen zu helfen. Nach Erving Polster gehört es zur Selbstunterstützung, wenn nötig auch Fremdunterstützung annehmen zu können. Laura Perls: »Laura: Erfahrung geschieht an der Grenze. Innerhalb der Grenzen ist hauptsächlich Unbewusstheit und Konfluenz. Wenn man zu schnell die Grenze überschreitet, kann man sich ungestützt vorkommen. Das ist alles, woran ich eigentlich arbeite: dem Konzept und der Erfahrung von Kontakt und Unterstützung. Manche Unterstützungen sind notwendig und essentiell. Andere Unterstützungen sind, sagen wir, wünschenswert und vielleicht nützlich. Das Fehlen von essentieller Unterstützung führt immer zu Angst. Genau daraus besteht Angst… Rosenfeld: …aus dem Fehlen essenzieller Unterstützung. Laura: Daraus, dass man einen Kontakt herstellen will, für den die essentielle Unterstützung fehlt. Normalerweise wird Angst als Fehlen von Sauerstoff interpretiert. Aber das ist in Wirklichkeit erst eine sekundäre Wirkung. Die Ursache liegt darin, dass Unterstützung fehlt. Angst wird mobilisiert, wenn essentielle Unterstützung fehlt, um aus der Situation herauszukommen, indem man sich krank stellt. Ein Kind zum Beispiel fühlt Angst, wenn es nicht sicher gehalten wird. Man fühlt Angst, wenn man hungrig ist oder wenn der Körper nicht richtig funktioniert« (Laura Perls, 1977, in: Anke und Erhard Doubrawa [Hg.], Erzählte Geschichte der Gestalttherapie, S. 40). Miriam Polster: »In letzter Zeit beschäftigt mich die Frage, wie man verschiedene Phasen von Unterstützung unterscheiden und die Fortschritte, die in der Therapie gemacht werden, integrieren kann. Natürlich geht es innerhalb der Therapie um Unterstützung, aber die Fähigkeit, sich selbst außerhalb der eigentlichen therapeutischen Situation, also in anderen Umgebungen und unter anderen Umständen zu unterstützen, wächst und entwickelt sich phasenweise. In der Gestalttherapie betrachten wir Kontakt als ein Ereignis, das in Raum und Zeit und innerhalb eines Rahmens von bestimmten Gelegenheiten und Fähigkeiten stattfindet. Während wir uns von einer Umgebung zur nächsten bewegen, brauchen wir unter bestimmten Umständen notwendigerweise mehr oder weniger Unterstützung als unter anderen Umständen. Ich glaube, dass die Entwicklung von unterstütztem Verhalten verschiedene Phasen durchläuft. In unserem Buch sprechen Erv und ich vom Konzept der Ich-Grenze, die wir als Bandbreite derjenigen Erfahrungen definieren, die jemand für sich gelten lassen kann. Diese persönliche Demarkationslinie der Erfahrung beinhaltet die Notwendigkeit, darauf zu achten, wie die Balance zwischen Selbstunterstützung und Fremdunterstützung erreicht wird. Fritz Perls betrachtete Wachstum als eine Bewegung von der Fremdunterstützung zur Selbstunterstützung. Im Grunde genommen ist das eine relative Leistung, denn eine absolute Unabhängigkeit von äußerer Unterstützung ist letztlich für niemanden erreichbar. Die Frage ist aber: Wann ist die äußere Unterstützung wichtiger? Aus welchen Elementen setzt sie sich zusammen? Und auf welche therapeutischen Aufgaben muss der Therapeut möglicherweise achten, wenn der Klient sich zunehmend aus der Abhängigkeit von der Umgebung oder ihrem Druck befreit?« (in: Harman [Hg.], Werkstattgespräche Gestalttherapie, S. 131). Edward Smith: »Fritz [Perls] sprach über die beiden Werkzeuge, die ein Therapeut hat, das Werkzeug der Unterstützung und das Werkzeug der Frustration. Es geht darum, dass du den Klienten in allem unterstützt, was du als seinen authentischen Ausdruck erfahren kannst, aber alles frustrierst, was ein unechter Ausdruck ist. Auf diese Weise unterstützt und frustrierst du. Aber du unterstützt nicht zu viel, so wie du gesagt hast, also kein häppchenweises Füttern. Man will nicht in einer Weise unterstützen, dass der Klient nicht seine eigene Stärke entwickelt, aber man will ihn auch nicht so frustrieren, dass er sich nicht bewegen kann« (in: A. u. E. Doubrawa [Hg.], Erzählte Geschichte der Gestalttherapie, S. 32). Siehe auch: Krankheit; Neurose; Symptom © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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