![]() ![]()
|
|
|
Stichwort: Therapieziele Leseprobe in
voller Länge aus dem Etymologie: »Therapie« entstand im 18. Jahrhundert aus dem altgriechischen »therapeía« (Dienst, Pflege) und »therápon« (Diener, Gefährte). – Das Umfeld des germanischen Wortes »zil« bezeichnet einen räumlichen oder zeitlichen Endpunkt, hat aber auch Nebenbedeutungen wie z.B. »passend«, »sich beeilen« oder »mit Eifer tun«. Therapieziele in der Gestalttherapie: Der Gestalttherapeut hat selbstredend Ziele für die therapeutische Arbeit: Er möchte seinen Klienten lehren, sein Gewahrsein für seine inneren wie für die von ihm wahrgenommenen äußeren Prozesse zu vertiefen, zu verbessern. Diese können im Unterschied zu Zielen im Sinne von »Lebenszielen« oder »Therapiezielen« als »Prozessziele« bezeichnet werden. Gestalttherapie will zum selbstbestimmten Leben beitragen; deshalb muss Selbstbestimmung als »vorgeschossene Mündigkeit« schon in der Therapie praktiziert werden. Im Hinblick auf die »Therapieziele« muss der Therapeut seine Aufmerksamkeit darauf richten, »wer« eigentlich den Arbeitsauftrag definiert, d.h. welcher Teil vom Klienten. Ist es der »Top-Dog«, der »Kontrolleur«? Und wie definiert dieser Teil das Ziel? Welcher Ton klingt dabei mit? Ist es ein interessiertes Fragen? Oder schon eine (leichte) Kritik, die in der Zielformulierung mitschwingt? So in dem Sinne: »Das hättest Du doch schon längst wissen, können, ändern müssen.« Der Therapeut sollte sehr darauf achten, dass er sich nicht mit eben diesem Teil im Klienten verbündet – quasi gegen den Klienten. Dann hätte der nämlich gleich zwei »Gegner«: diesen verurteilenden, abwertenden Teil in sich – und seinen Therapeuten noch dazu. Es ist sicher einsichtig, dass der Therapieerfolg dadurch nicht gesteigert oder wahrscheinlicher wird. Der Klient wird sich meist gegen diesen Teil wehren und damit auch gegen die therapeutische Interventionen. Das wäre wahrscheinlich das Ende einer guten Zusammenarbeit – keinesfalls ein guter Anfang. Gary Yontef: »Gestalttherapie ist phänomenologisch, ihr einziges Ziel ist Bewusstheit (awareness), ihre Methode begünstigt die Erweiterung der Awareness. […] Awareness ist das Mittel, durch das ein Mensch sich durch Wahl regulieren kann. Der Weg der Gestalttherapie, den Prozess der Awareness kennen zu lernen, geht über die Phänomenologie. Unser Ziel ist, so viel zu lernen, dass sich die für die organismische Selbstregulierung erforderliche Awareness entwickeln kann. […] Wenn er seine therapeutische Aufgabe als ein Vergrößern der Awareness dessen, was ist, versteht, und zwar durch eine Ich-Du-Beziehung und ein phänomenologisches Fokussieren, dann ist er in der besonderen Position, den Patienten zu akzeptieren und zugleich aktiv sein Wachstum zu fördern, ohne aber inhaltlich vorherbestimmte Veränderungen bewirken zu wollen. Seine Ziele sind funktional, der Inhalt kommt vom Klienten. Auf diese Weise leistet der Therapeut Beistand bei der Veränderung von Nicht-Awareness zur Awareness. Dieses ist ein Prozess-Ziel und kein Richtungs- oder Inhalts-Ziel. Er wird die Awareness des Patienten aktiv vergrößern, ohne den subjektiven Inhalten der Veränderungen, die der Klient wünscht, entgegenzukommen. Er hilft auf einer höheren Ebene. Der Therapeut kann zum Beispiel beobachten, alles genau aufnehmen und wiedergeben und je nach Wichtigkeit seine persönliche Betroffenheit, seine Fantasien, seine Gefühle mitteilen. […] Therapeuten ohne fest angezielte Veränderungen im Hinterkopf sind Berater und Begleiter für ein phänomenologisches Erforschen, sie sind Förderer des Dialogs« (Gary Yontef, Gestalttherapie als dialogische Methode [1983], in: E. Doubrawa u. F.-M. Staemmler [Hg.], Heilende Beziehung, S. 28ff). Rich Hycner: »Das ›Ziel‹ dialogischer Gestalttherapie, wenn auch keines im direkten Sinne, auf das man hinarbeiten könnte, liegt darin, dass schließlich am Ende der Therapie eine vollständig gegenseitige dialogische Beziehung zwischen Therapeut und Klient entsteht. Selbstverständlich ist dieses ›Ziel‹ oft unerreichbar, wie ich im Abschnitt über ›die Grenzen des Dialogs‹ noch ausführen werde. Statt von einem ›Ziel‹ als solchem wäre es vielleicht besser, von vollständiger Mutualität als einem Nebenprodukt dialogischer Psychotherapie zu sprechen. Während der Therapeut beständig um eine echte dialogische Beziehung mit dem Klienten bemüht ist und beide sich durch die vielen Stufen einer Therapie hindurcharbeiten, wird der Klient – zunächst vielleicht zögernd, aber mit zunehmender Sicherheit – Boden unter die Füße bekommen und sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der therapeutischen Situation hinreichend bestätigt fühlen, um innere Stabilität, begleitet sowohl von einem deutlichen Gefühl des Getrennt- wie auch des Verbundenseins, in sich spüren zu können. Der Klient ist dann in der Lage, die andere Person als ein ›Du‹ zu erleben. Ihm fehlen nicht mehr die emotionalen Grundlagen und er ist nicht mehr zu verängstigt und gepanzert, um sich auf eine wirkliche Beziehung einzulassen. Damit will ich nicht ausschließen, dass ein Klient bisweilen zuvor schon gelegentlich dazu fähig gewesen sein mag. Aber jetzt kann er sich ohne Mühe und Unterbrechungen in eine dialogische Beziehung begeben« (Rich Hycner, Die Ich-Du-Beziehung [1990], in: E. Doubrawa u. F.-M. Staemmler [Hg.], Heilende Beziehung, S. 83ff). Siehe auch: Bewusstheit; Gewahrsein; Intervention; Phänomenologie; Topdog © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
[Impressum] [Datenschutz]
|
![]()
![]()
|