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Stichwort: Präsenz Leseprobe in
voller Länge aus dem Etymologie: Aus dem lateinischen praesens (anwesend, gegenwärtig, wirksam, kräftig, entschlossen), praesentare (gegenwärtig machen, [sich] zeigen) und praesentia (Gegenwart, Anwesenheit) entstehen schon im Mittelhochdeutschen die Formen »Präsens« (grammatikalische Zeitform der Gegenwart), »Präsent« (Geschenk) und »präsentieren« (überreichen, darbieten, [sich] zeigen). »Präsenz« (Anwesenheit) bedeutete zusätzlich die Vergütung für die Anwesenheit und Mitarbeit bei einem Gottesdienst sowie die Steuer für eine Pfründe. Im Mittellateinischen steht praesens auch für »irdisch«. Bedeutung für die Gestalttherapie: Das aufmerksame Im-Hier-und-Jetzt-Sein, das Gewahrsein und die Gegenwärtigkeit des Therapeuten (oder der eine therapeutische Arbeit beobachtenden übrigen Teilnehmer in einer Gruppensitzung) also, hat die stützende Wirkung im Feld, dass der Klient auch ohne direkte und aktive Intervention auf die Gegenwärtigkeit focussiert wird. Joseph Zinker und Sonja March Nevis: »[Präsenz] ist eine Art, mit jemandem zu sein ohne unbedingt etwas zu tun. Präsenz bedeutet, ganz hier und für alle Möglichkeiten offen zu sein. Das Hiersein des Therapeuten bewirkt, dass die tieferen Schichten meines Selbst in Bewegung kommen. Die Präsenz des Therapeuten bildet den Hintergrund, vor dem die Figur eines anderen Selbst aufblühen, sich klären und deutlich werden kann. Wenn ich die Präsenz eines anderen erlebe, fühle ich mich frei, mich auszudrücken, ich selbst zu sein, auch meine zarten und verletzlichen Seiten zu offenbaren und darauf zu vertrauen, dass ich ohne Be- oder Verurteilung wahrgenommen werde. Die Präsenz meines Therapeuten macht es mir möglich, mich mit meinen inneren Konflikten, schwierigen Fragen und Widersprüchen auseinanderzusetzen, ohne mich durch suggestive oder allzu bestimmende Fragen abgelenkt zu fühlen. Die Präsenz meines Therapeuten ermöglicht mir die Konfrontation mit mir selbst im Beisein eines weisen Zeugen. […] Die meisten Menschen erreichen Präsenz durch das ununterbrochene Fortschreiten der Zeit, die sie immer wieder daran erinnert, wieviel sie zu lernen haben und wie wenig sie wissen. Präsenz ist der Zustand der Ehrfurcht angesichts eines unendlich komplexen und wundersamen Universums. Um diesen Zustand der Präsenz zu erreichen, muss man vieles lernen und anschließend wieder verwerfen. Um Präsenz zu erlernen, muss man sich völlig hingeben, wie ein reicher Mensch, der jahrelang hart gearbeitet hat, um zu großem Reichtum zu kommen und dann eines Tages feststellt, dass die größte Freude darin besteht, seinen Reichtum zu teilen und abzugeben. Wenn wir über die Präsenz des Therapeuten sprechen, dann meinen wir, dass der Therapeut eine Dimension des Selbst kommuniziert, die jenseits verbaler Interventionen liegt« (Joseph Zinker und Sonja March Nevis, Die Ästhetik der Gestalt-Paartherapie [1994], in: Gordon Wheeler und Stephanie Backman [Hg.], Gestalttherapie mit Paaren, Wuppertal, 1999, S. 355ff). Siehe auch: Feldtheorie; Gegenwart; Gestalt-Gruppentherapie; Haltung; Intervention © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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