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Stichwort: Kontaktstörungen Leseprobe in
voller Länge aus dem Alle physischen und psychischen Probleme eines Organismus’ bezeichnet die Gestalttherapie als Störungen im Kontakt bzw. an der Kontaktgrenze. Von manchen Autoren wird der Begriff »Unterbrechungen des Kontakts« bevorzugt, um die nicht gewollte Assoziation zu psychiatrisch diagnostizierten »Störungen der Persönlichkeit« zu vermeiden. Allerdings klingt »Kontaktunterbrechung« zu sehr danach, als würde der Kontakt immer abgebrochen. Dies muss jedoch nicht sein. Beim Introjizieren findet zum Beispiel der Kontakt statt, aber er ist gestört in dem Sinne, dass das Aufgenommene nicht assimiliert bzw. integriert wird. Als Formen der Kontaktstörungen gelten in der Gestalttherapie Deflektion (alternativ, selten: »Isolation«), Ego(t)ismus, Introjektion, Konfluenz (alternativ: »Verschmelzung«, »Verstrickung«), Projektion, Reaktionsbildung und Retroflektion. Sie werden im jeweiligen Stichwort ausführlich behandelt. Deflektion, Introjektion, Konfluenz, Projektion und Retroflektion sind die fünf Kontaktstörungen, die sich als Kanon durchzusetzen scheinen. Das ist nicht zufällig so, denn sie repräsentieren die logischen Möglichkeiten des problematischen Umgangs mit einer Kontaktmöglichkeit oder mit einem Kontaktangebot, nämlich:
Ein Einwand gegen die Fünfzahl der Kontaktstörungen lautet, dass Deflektion als eine Form der Retroflektion angesehen werden kann. (Somit gäbe es nur vier Kontaktstörungen.) Die sprachliche Form, in der die Deflektion als »sich abwenden« oder »sich gefühllos machen« beschrieben wird, legt in der Tat eine retroflektive Bewegung nahe. Allerdings macht es vom Kontakt her gedacht schon einen Unterschied, ob die Energie investiert wird, um einen Kontakt zu vermeiden (z.B. Flucht), oder ob sie gegen sich selbst gerichtet wird (z.B. Schuldgefühl). Beim Sich-gefühllos-Machen könnte jedoch wirklich eine Verwirrung auftreten, weil das Vermeidungsverhalten darin besteht, mit der Energie sich selbst zu verstümmeln. Eine Lösung der Diskussion ergibt sich aus einer (im Stichwort »GTI« ausführlich erläuterten) Zuordnung der Kontaktstörungen zu den Stadien der Gestaltwelle: Deflektion als Abwendung von Kontakt ist nach dem GTI-Modell nur solange eine Option, wie der Kontakt noch nicht vollzogen wird. Retroflektion als Umlenkung der Energie auf sich selbst ist erst dann möglich, wenn der Kontakt vollzogen wird. Insofern besteht eine klare Grenze zwischen Deflektion und Retroflektion. Siehe auch: Assimilation; Deflektion; Egotismus; Gestaltwelle; GTI; Introjektion; Konfluenz; Kontakt; Projektion; Reaktionsbildung; Retroflektion; Subjekt/Objekt-Spaltung © Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa, Lexikon der Gestalttherapie, gikPRESS, Köln/Kassel 2017
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